14. Juli 2022
14. Juli 2022
Das ADEV-Kleinwasserkraftwerk im französischen Munster feierte seinen hundertsten Geburtstag. Die Anlage steht in mancher Hinsicht für Langlebigkeit. Wir blicken zurück auf ihre bewegte Geschichte.
Die Nutzung der Wasserkraft hat in Munster eine lange Tradition. Es ist anzunehmen, dass die Mönche der Benediktiner-Abtei Saint-Gregoire bereits im 7. Jahrhundert erste Mühlen betrieben. Im 18. Jahrhundert machte dann die Textilindustrie die Wasserkraft für sich nutzbar. Waren es zu Beginn einfache Wasserräder, die Mühlen und Klopfwerke bewegten, so wurden im Zuge der einsetzenden Industrialisierung ganze Fabrikhallen mit mechanischen Maschinen ausgerüstet, die über Treibriemen die Kraft der Wasserräder nutzten.
Aufschwung in der Zeit der Industrialisierung
Ende des 19. Jahrhunderts modernisierte die Elektrifizierung in der Textilindustrie die Produktionsmethoden und brachte ganz allgemein den Fortschritt in das tägliche Leben – etwa in Form der elektrischen Strassenbeleuchtung oder von elektrischen Haushaltsgeräten.
Erste Wasserkraftwerke zur Stromerzeugung wurden an den Produktionsstandorten Couvent (1898) und Hammer (1913) errichtet. Als eigentliches Leuchtturmprojekt wurde zwischen 1921 und 1923 die neue Wasserkraftzentrale Leymel gebaut. Sie ersetzte ein älteres und kleineres Kraftwerk aus dem 19. Jahrhundert und war mit ihrer fortschrittlichen Technik und monumentalen Architektur eine imposante Verheissung der Neuzeit.
Das Kraftwerk Leymel nutzte nicht nur das Flusswasser der Fecht, sondern über eine Druckleitung auch das Wasser des Speicherbeckens auf dem oberen Solberg. Nachts wurde dieses Becken jeweils mit Pumpen wieder gefüllt, um tagsüber ausreichend Spitzenlast für die Produktionsanlagen erzeugen zu können.
Mit dem Aufkommen der zentralisierten Atomenergie und dem Niedergang der Textilindustrie in den 1980er-Jahren schienen auch die Tage der alten Wasserkraftanlagen gezählt. Ohne ordentlichen Unterhalt und mit schlechter Vergütung der produzierten Energie war ein Weiterbetrieb fast aussichtslos. Dies änderte sich am Anfang der 2000er-Jahre, als erneuerbaren Energien staatlich unterstützt und kostendeckende Rückliefertarife eingeführt wurden.
Für die Ewigkeit gebaut
Die ADEV Force Hydraulique SAS, eine Tochter der ADEV Wasserkraftwerk AG, erwarb 2009 die drei Kraftwerke am Standort Munster von den Manufactures Hartmann und sanierte diese in der Folge. Im Kraftwerk Leymel wurden die beiden Francis-Turbinen von Escher-Wyss mit Jahrgang 1921 renoviert und produzieren bis heute Strom. Das bestehende Konzept aus einer kleinen Turbine, die etwa ein Drittel der Gesamtleistung erbringt, und einer grösseren Turbine für die restlichen zwei Drittel ermöglicht auch bei schwankenden Abflussverhältnissen vergleichsweise hohe Wirkungsgrade.
Die beiden Siemens-Schuckert Generatoren haben zwar einen etwas schlechteren Wirkungsgrad als neue – dafür war die Revision deutlich günstiger als eine Neubeschaffung. Sowieso unerreicht bleibt die Laufruhe der alten Motoren, die sie ihrer grossen Masse verdanken.
Es wäre selbst denkbar, den Pumpspeicherbetrieb zwischen dem Oberen Solberg und dem Kraftwerk Leymel wieder aufzunehmen. Heute würde damit aber nicht mehr die Nachtenergie für den nächsten Tag gespeichert. Die Anlage könnte vielmehr als Ausgleichskraftwerk dienen, das je nach Bedarf überschüssigen Strom aus dem Netz aufnehmen oder fehlenden Strom ins Netz einspeisen kann. Diese Regelenergie wird aktuell aber zu schlecht vergütet, als dass sich eine Renovation oder gar ein Neubau der Anlage lohnen würde.
Munster, 1885: Die boomende Textilindustrie verlangte nach mehr Elektrizität
Die beiden Original-Turbinen aus dem Jahr 1921 sind bis heute in Betrieb